Die Schätzung der Tagessatzhöhe im Strafbefehl

Messinstrumente
Alles andere als exakt: Strafzumessung. Foto von Dan Cristian Pădureț auf Unsplash

Einleitung - Worum geht es? 

In vielen Strafbefehlen findet sich der Hinweis:

„Ihr Einkommen wurde gem. § 40 Abs. 3 StGB geschätzt“

Nach dem Gesetz ist dieser Hinweis nicht zwingend. Ob die Schätzung des Einkommens mit diesem Hinweis deutlich gemacht wird oder nicht, richtet sich nach den regionalen Gepflogenheiten der Staatsanwaltschaften. Selbst wenn Ihr Strafbefehl keine Schätzung erwähnt, kann es also sein, dass der Tagessatzhöhe eine Schätzung zugrunde liegt. In diesem Beitrag geht es um die Frage, was es mit der Schätzung auf sich hat und was Sie beachten müssen, wenn § 40 Abs. 3 StGB bei Ihnen angewandt wurde.

Der Hintergrund: Das Tagessatzsystem

Geldstrafen werden in Tagessätzen verhängt (§ 40 StGB). Das bedeutet, man verurteilt Sie mit dem Strafbefehl nicht zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.500 €, sondern zum Beispiel zu "30 Tagessätzen à 50 €". Mit diesem etwas komplizierten System soll sichergestellt werden, dass Straftäter gleich hart bestraft werden. Denn die Tagessatzhöhe, also der Eurobetrag, richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten. Ein Beispiel macht das deutlicher:

Herr Müller begeht eine fahrlässige Körperverletzung und wird deshalb zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt. Er hat ein Nettoeinkommen von 900 €, deshalb ist sein Tagessatz 30 € (900 geteilt durch 30). Insgesamt muss er deshalb 600 € Geldstrafe zahlen.

Herr Meier hingegen verdient 4.500 € netto im Monat. Sein Tagessatz beträgt deshalb 150 € (4.500 geteilt durch 30). Wenn er für die gleiche fahrlässige Körperverletzung zu 20 Tagessätzen verurteilt wird, dann muss er insgesamt 3.000 € Geldstrafe zahlen.

Würde die Strafe als fester Betrag verhängt werden, dann könnte es sein, dass Müller die Strafe kaum zahlen kann, Meier hingegen den gleichen Betrag „aus der Portokasse“ zahlt. Das Tagessatzsystem sorgt also dafür, dass beide die Strafe als gleich „hart“ empfinden. Jedenfalls theoretisch. In der Praxis ist es immer noch so, dass Menschen mit geringem Einkommen durch eine Geldstrafe erheblich stärker belastet werden als Menschen mit höherem Einkommen. Aber das ist ein anderes Thema.

Einkommensermittlungen im Strafbefehlsverfahren

Die Fragebögen der Polizei, die an Beschuldigte verschickt werden, fragen nach den Einkommensverhältnissen. Hintergrund dieser Frage ist das oben erläuterte System. Wenn der Staatsanwalt später im Strafbefehl eine Geldstrafe beantragt, dann greift er bei der Bemessung der Tagessatzhöhe auf diese Angaben des Beschuldigten zurück. Wer also im Ermittlungsverfahren den Fehler gemacht hat, gegenüber der Polizei anzugeben, dass er über 3.000 € netto verfügt, der muss damit rechnen, dass ihm ein Tagessatz in Höhe von etwa 100 € unterstellt wird (häufig wird pauschal etwas abgezogen).

Schätzung gem. § 40 Abs. 3 StGB

Wenn der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren hingegen keine Angaben gemacht hat, dann ermöglicht § 40 Abs. 3 StGB dem Staatsanwalt, die Einkommensverhältnisse zu schätzen. Für diese Schätzung greift er z. B. auf Informationen aus der Akte zurück: Bei Verkehrsdelikten etwa kann der Pkw des Beschuldigten Hinweise auf die wirtschaftlichen Verhältnisse geben. Manchmal lässt sich der Beruf des Beschuldigten „googeln“, sodass auf diese Grundlage geschätzt wird. Manchmal gibt es aber auch keine Anhaltspunkte. Dann werden beispielsweise 30, 40 oder auch 50 € als Tagessatz unterstellt — also Nettoeinkommen in Höhe von 900, 1.200 oder 1.500 € (wichtig: Das relevante Einkommen im Strafverfahren ist nicht identisch mit dem Nettoeinkommen, das auf Ihrem Gehaltszettel steht, weil es vielfache Abzugsmöglichkeiten gibt). Diese Schätzung findet dann Eingang in den Strafbefehlsantrag, so gut wie immer wird dieser Antrag vom Amtsgericht wie beantragt erlassen. Wie erläutert, wird in manchen Strafbefehlen auf die Schätzung hingewiesen, in manchen aber auch nicht.

Was sollten Sie tun?

Sie müssen, wenn Sie einen Strafbefehl erhalten haben, die Tagessatzhöhe selbst kontrollieren (oder sich beraten lassen). Das gilt immer, aber vor allem dann, wenn Ihr Einkommen geschätzt wurde. Wenn Ihr Einkommen zu hoch geschätzt wurde, dann können Sie die Tagessatzhöhe in einem vereinfachten Verfahren mit einem „beschränkten Einspruch gegen die Tagessatzhöhe“ korrigieren lassen.

Wurde Ihr Einkommen hingegen zu niedrig geschätzt, dann ist ein eventueller Einspruch gegen den Strafbefehl mit besonderen Risiken verbunden. Der Richter kann nämlich in der Hauptverhandlung Ihr Einkommen anders schätzen, sodass es dann im Falle einer Verurteilung allein wegen der Anpassung der Tagessatzhöhe unter dem Strich sehr viel teurer werden kann. Einen Beispielsfall für eine solche Verschlechterung schildere ich hier.

Das Risiko der Verschlechterung muss man erst nehmen, aber man sollte sich davon auch nicht lähmen lassen. In vielen Verfahren kann man statt des Strafbefehls auch eine Einstellung gegen Geldauflage erreichen, ohne dass eine Hauptverhandlung zwingend notwendig ist. Dann spielt überschätzte Einkommen keine Rolle. Fragen dazu? Schreiben Sie mir eine Nachricht.

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